Es wurde nun also geklärt, dass und warum das Wassermolekül eine winklige Struktur besitzt, polarisiert ist und stabile Bindungen eingehen kann. Dies hat gravierende Konsequenzen, die beobachtbar und die lebensnotwendig sind.
Konsequenz 1: Kristallstruktur von Eis
In der Abbildung C1 ist zu erkennen, dass sich durch die tetraederförmige Struktur der Wassermoleküle Bindungsstrukturen herausbilden, in denen sich die Moleküle in Sechsecken anordnen. Die Abbildung C1 zeigt dies in vereinfachter Form.
Diese sechseckige (hexagonale) Form ist auch tatsächlich zu sehen – wenn Wasser als Eis auskristallisiert. Wozu das führt, ist ebenfalls in der Abbildung C1 sichtbar. Eiskristalle oder Schneeflocken haben alle eine (extrem symmetrische) sechseckige Form, die bei schönen großen Exemplaren mit bloßem Auge zu erkennen ist. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es erstmals Wilson Bentley, die variantenreichen Schönheiten zu fotografieren. Ihm gelangen insgesamt über 5000 solcher Aufnahmen. Sie sehen alle unterschiedlich aus, aber alle weisen aufgrund der molekularen Struktur und Anordnung der Wasserteilchen eine hexagonale Struktur auf.
Video C1: Aggregatzustände von Wasser.
Auf dieser Website können unter "Zustand" die verschiedenen Aggregatszustände von Wasser und anderen Stoffen auf molekularer Ebene modellhaft dargestellt werden.
Konsequenz 2: Dichte und Dichteanomalie
Wasser besitzt eine weitere sehr besondere Eigenschaft, die „Dichteanomalie“ genannt wird. Zunächst soll die Dichte im Alggemeinen betrachtet werden.
Definition Dichte:
Video C2: Erklärvideo zur Dichte.
Die Dichte ρ eines Stoffes ist definiert als Masse m pro Volumen V.
Styropor beispielsweise besitzt eine sehr geringe Dichte: Betrachtet wird im Folgenden ein Würfel von 1 Liter Volumen (Kantenlänge 10cm x 10cm x 10cm). Ist der Würfel aus Styropor, beträgt seine Masse ca. 20g. Ist der Würfel hingegen aus Eisen, bringt er fast 7,9 kg auf die Waage.
Die Dichte von Styropor beträgt in dem Fall 20 g/l, die Dichte von Eisen ca. 7,9 kg/l.
Wird ein Stoff erwärmt, wird ihm also Energie zugeführt (siehe Themenbereich Wärme), dann bewegen sich die Teilchen, aus denen der Stoff besteht, schneller. Üblicherweise nimmt die Dichte mit steigender Temperatur ab, da die Teilchen durch ihre stärkere Bewegung mehr Raum beanspruchen. Dies gilt auch über die Wechsel der Aggregatzustände hinweg.
Testen Sie dazu auch die Phet-App „States of Matter“ https://phet.colorado.edu/sims/html/states-of-matter/latest/states-of-matter_de.html:
Stellen Sie nacheinander Neon, Argon, Sauerstoff und Wasser ein. Starten Sie jeweils mit dem festen Zustand (solid) und wählen Sie am besten oC als Einheit. Schieben Sie nun den Regler unten in der Mitte auf „Heat“ und beobachten Sie die Ausdehnung (bzw. Dichte) des Stoffes anhand der Anordnung der Teilchen. Welche Unterschiede stellen Sie zwischen Wasser und den anderen drei Stoffen fest?
Beinah alle Stoffe (so auch Neon, Argon und Sauerstoff) verhalten sich so wie oben beschrieben: Bei steigender Temperatur dehnen sie sich aus und dadurch nimmt ihre Dichte ab. Wasser hingegen zeigt wie nur wenige andere Stoffe ein anderes Verhalten: Es dehnt sich beim Übergang vom flüssigen zum festen Zustand (Eis) aus. Dies liegt daran, dass das hexagonale Kristallgitter, das sich bildet, wenn die Wasserstoffbrücken geschlossen werden, sehr viel Raum einnimmt. Die Dichte von Eis ist also deutlich (ca. 10%) geringer als die von flüssigem Wasser.
Wenn nun die Wasserstoffbrücken des festen Kristalls um ca. 0°C nach und nach aufgelöst werden, also einzelne Teilstücke dieser kristallinen Struktur beweglicher werden und näher zusammenrücken, dann nimmt die Dichte zu. Dies ist der Grund, warum flüssiges Wasser weniger Raum einnimmt, also eine größere Dichte besitzt, als Eis.
Bei genauer Betrachtung der App (der Effekt ist nicht so genau dargestellt, aber zu erahnen), ist die Dichte allerdings nicht genau bei 0°C am höchsten, sondern etwas darüber, genauer: bei ca. 4°C. Das liegt daran, dass die Wasserstoffbrücken der kristallinen Struktur nicht alle bei 0°C gelöst werden. Einzelne Wassermoleküle ohne Wasserstoffbrücken untereinander liegen erst bei ca. 100 °C vor (Gas / Wasserdampf). Das Lösen der Wasserstoffbrücken sorgt daher dafür, dass die Dichte kontinuierlich bis 100°C zunimmt. Die Bewegung der Teilchen hingegen sorgt dafür, dass die Dichte mit zunehmender Temperatur kontinuierlich sinkt. Diese beiden einander entgegen gerichteten Effekte führen dazu, dass das Maximum der Dichte ρ nicht bei 0°C sondern bei 4°C liegt (siehe Abb. C5).
Diese beiden Aspekte der Dichteanomalie von Wasser haben immense Bedeutung für die Welt:
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- Eis hat eine geringere Dichte als Wasser. Es ist bei gleichem Volumen also leichter als Wasser. Bei gleicher Masse nimmt es mehr Volumen ein.
- Wasser hat bei 4°C seine höchste Dichte. Bei gleichem Volumen ist es bei 4°C also am schwersten.
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In einer Grafik dargestellt, sieht das folgendermaßen aus:
Welche Folgen hat die Dichteanomalie nun?
Folge Nr. 1: Wasser dehnt sich aus, wenn es gefriert.
Zu dem Phänomen der Dichteanomalie von Wasser gibt es auch eine Vielzahl an Alltagserfahrungen.
Hierzu gehört beispielsweise das Schwimmen von Eiswürfeln auf der Limonade oder von Eisbergen im Meer.
Betrachten Sie die Grafik des Eisberges (siehe Abb. C6 a) & b)). Er verdrängt unter Wasser gerade so viel Wasser, wie seiner Masse entspricht. Der Rest des Eisbergs liegt oberhalb der Wasseroberfläche: Der Eisberg schwimmt. Es kann ebenso formuliert werden: Aus dem Volumen Wasser, das der Eisberg unter der Wasseroberfläche verdrängt, ist er entstanden. Alles, was er an Volumen zusätzlich bei seiner Ausdehnung im Gefrierprozess zugelegt hat, schaut nun oberhalb des Meeresspiegels heraus.
Überlegen Sie mit den Angaben oben: Wie viel schaut von einem Eisberg oberhalb der Wasseroberfläche heraus und welcher Anteil seines Volumens versteckt sich unter Wasser – sehr gefährlich für die Schifffahrt, wie die Tragik der Titanic uns gelehrt hat – ?
Ist dieses Verhalten von Wasser aber wirklich so ungewöhnlich? Trifft es nicht auch auf weitere Stoffe im Alltag zu, dass sie im festen Zustand auf ihrer Flüssigkeit schwimmen würden? Tatsächlich nicht. Aber es ist nicht so leicht, im Alltag Phänomenen dieser Art aufzuspüren, da bei üblichen Temperaturen eben nicht viele Stoffe sowohl in festem als auch im flüssigem Zustand vorliegen. Betrachten Sie im folgenden Video C3, den Vergleich von festem in flüssigem Wachs im Gegensatz zu Eis in Wasser.
Video C3: Wachs und Wasser – Sinkt ein Festkörper immer in seiner Flüssigkeit?
Wenn sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt, entstehen dabei mitunter auch enorme Kräfte, die sich eindrucksvoll in Szene setzen lassen (siehe Video C4).
Video C4: Anomalie des Wassers.
Weitere Phänomene, die Lernende kennen könnten, sind Frostschäden (Schlaglöcher) im Asphalt (siehe Abb. C7) oder aufgeplatzte Wasserflaschen, die jemand zum „Ich-leg-das-einmal-kurz-hier-rein-zum-Abkühlen“ im Gefrierschrank vergessen hat…
Betrachten Sie auch die Konsequenzen dieser Eigenschaft von Wasser in Bezug auf die globale Erwärmung des Klimawandels. Wenn die globale Temperatur, bzw. die Temperatur der Ozeane ansteigt, dann zeigt sich schon aktuell in großem Ausmaß, dass auch die großen Eismassen schmelzen. Welche Eisschmelze ist für den Anstieg der Meeresspiegel kritisch? Ist es die der Arktis oder Antarktis? Inwiefern unterscheiden sich diese beiden Eisgebiete voneinander und was bedeutet das in Bezug auf den Anstieg der Meeresspiegel?
Video C5: Steigt der Wasserspiegel, wenn schwimmendes Eis schmilzt?
Neben dem Anstieg des Meerespiegels führt das Abschmelzen der Eismassen zu weiteren Veränderungen des Klimasystems. Beispielsweise ändert sich durch die zusätzlichen Mengen an Süßwasser der lokale Salzgehalt – der wiederum für den Verlauf der Meeresströmungen mitverantwortlich ist (s.u.).
Folge Nr. 2: Das Überleben im Gewässer
Eine Folge der größten Dichte von Wasser bei 4°C ist beispielsweise, dass tiefere Seen im Winter nicht zufrieren. Am Boden eines genügend tiefen Sees sammelt sich Wasser, welches eine Temperatur von 4°C hat. Im Winter liegt das kältere Wasser darüber, im Sommer das wärmere Wasser. Das bedeutet, im Sommer finden sich hier immer noch ein kaltes Reservoir, im Winter gibt es hier noch genügend warmes Wasser (siehe Abb. C9).
Tabelle C1: Dichte in Abhängigkeit der Temperatur
Temperatur | Dichte |
0 °C (Eis) | 0,9168 g/ml |
0 °C (Wasser) | 0,999818 g/ml |
4 °C (Wasser) | 1,000000 g/ml |
10 °C (Wasser) | 0,999727 g/ml |
20 °C (Wasser) | 0,998231 g/ml |
Betrachten wir noch einmal Abbildung C5 und vergrößern den Ausschnitt rund um 4°C (siehe Abb. C8). Dabei ist hier deutlich das Maximum der Dichte bei 4°C zu erkennen. Es sieht zwar auf den gesamten Verlauf betrachtet unscheinbar aus, aber es ist genug, um dieses Phänomen der Temperaturschichtung in Seen hervorzurufen, das vielen Lebewesen im See das Überleben im Winter sichert.
Ein weiteres Phänomen, das mit Dichte und auch ein wenig mit Dichteanomalie zusammenhängt, sind die Meeresströmungen (siehe Abb. C10 & C11). Die Meeresströmungen werden dadurch in Gang gebracht, dass das Wasser in den Weltmeeren eine unterschiedliche Dichte aufweist, das teilweise nach unten wegsackt oder nach oben steigt. Diese Dichteunterschiede können maßgeblich durch zwei verschiedene Phänomene hervorgerufen werden:
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- durch Temperaturunterschiede des Wassers
- durch unterschiedlichen Salzgehalt des Wassers
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Diese Meeresströmungen sind unglaublich wichtig für das Klima, weil Wasser eine weitere Eigenschaft in Bezug auf Wärme hat, auf die gleich noch eingegangen wird.
Wichtige Meeresströmungen sind zum Beispiel der sogenannten Humboldtstrom, ein Kaltwasserstrom an der Spitze von Südamerika, der kaltes nährstoffreiches Wasser aus der Antarktis bringt. Genauso gibt es einen Strom, der den meisten wohl bekannt ist. Sein Wasser erwärmt sich vor allem im Golf von Mexiko (von dem er auch seinen Namen erhält) und fließt von da Richtung Norden und bringt warmes Wasser nach Europa. Momentan versuchen Physiker und Physikerinnen, Meteorologen und Meteorologinnen verschiedene Szenarien zu simulieren, welche Konsequenzen Änderungen der Wassertemperatur und des Salzgehaltes (beispielsweise aufgrund des Schmelzwassers der schrumpfenden Eismassen) in Folge der globalen Erwärmung mit sich bringen können. Da diese Phänomene hoch komplex vernetzt sind, sind Voraussagen hier nicht eindeutig, aber zeigen gewisse Tendenzen. Ein „Abreißen“ des Förderbandes würde beispielsweise eine deutliche Abkühlung des europäischen Klimas bedeuten.
Konsequenz 3: Oberflächenspannung von Wasser
Die besondere Anziehungskraft der Wassermoleküle untereinander sorgt auch für ein Phänomen, das zu beobachten ist, wenn sich Wasser zu mehr oder weniger runden Kügelchen zusammenzieht. Dies ist an Glasoberflächen, am tropfenden Wasserhahn und – oft besonders anmutig: auf Gräsern und Blättern zu sehen (siehe Abb. C12).
Abb. C12: Wassertropfen auf verschiedenen Oberflächen.
Auf Oberflächen von Pflanzen wie Frauenmantel, Kapuzinerkresse und Kohlarten bilden sich zarte fast vollständige Kugeln. Dies ist auf den sogenannten Lotuseffekt zurückzuführen. Die Oberflächenstruktur bewirkt, dass das Wasser nicht das Blatt benetzt, sondern nur sehr wenig Kontaktfläche eingeht (meist ist die Oberfläche mit winzigen feinen Härchen besetzt) und sich zur Kugel zusammenzieht.
Hier handelt es sich um das Phänomen der Oberflächenspannung von Wasser.
Die Oberflächenspannung von Wasser sorgt für Tropfenbildung in ganz unterschiedlicher Form, wie in den Abbildungen C12 und C13 zu sehen ist.
Wasser benetzt glatte Oberflächen, wie Metall oder Glas, so dass sich hier breite, flache Tropfen bilden. Je rauer die Oberfläche ist, desto kugeliger zieht sich der Tropfen zusammen (falls das Wasser nicht in das Material eindringen kann). Der Benetzungswinkel ist in Abbildung C13 dargestellt.
Wie kommt diese Tropfenbildung zustande? Wie kommt es zu der hohen Oberflächenspannung von Wasser?
Vor allem aufgrund der Wasserstoffbindung wirken zwischen den Wasserteilchen Anziehungskräfte, die die Wasserteilchen aneinanderhalten – solange ein anderes Wasserteilchen in ihrer Nähe ist. Ein Wasserteilchen, das nicht am Rand liegt, wird also gleichermaßen in alle Richtung von anderen Teilchen angezogen.
Abb. C14: Kohäsionskräfte in Wasser auf unterschiedliche Wassermoleküle.
An der Grenzfläche zu einem anderen Medium (hier Luft) sieht das allerdings anders aus. Hier wirken Kohäsionskräfte (anziehende Kräfte) zu den Wassermolekülen hin, die im Wasser sind. In Richtung des angrenzenden Mediums wirken allerdings allenfalls schwache Kräfte, da sich dort keine weiteren Wassermoleküle befinden. Die Wassermoleküle an der Grenzfläche werden also sehr viel mehr in Richtung der anderen Wasserteilchen angezogen als sie nach oben von den Luftteilchen angezogen werden. Diese nach innen gerichtete Kohäsionskraft führt zur Kugelbildung des Wassertropfens (siehe Abb. C14).
Weitere Alltagsphänomene, die im Kontext der Oberflächenspannung ebenfalls bekannt sind, sind beispielsweise: Wasserläufer, Blätter oder auch Büroklammer, die auf der Wasseroberfläche schwimmen können. Wassergläser oder Wasseransammlungen beispielsweise auf Münzen können sich weit herauswölben ohne dass das Wasser überfließt (siehe Video C5 – C8).
Video C6: Kohäsion auf einer Pflanze.
Video C7: Kohäsion eines Wassertropfens auf verschiedenen Oberflächen.
In Erklärbüchern wird in diesem Zusammenhang auch oft der Begriff einer „Wasserhaut“ eingeführt. Dies ist allerdings eher irreführend, da die Wasseroberfläche lediglich als Grenzschicht zu Luft entsteht, aber keine „Haut“ besitzt.
Video C8: Oberflächenspannung verschiedener Flüssigkeiten.
Konsequenz 4: Hohe Schmelz- und Siedetemperatur
Im gefrorenen Zustand (Eis) sind die Wasserstoffbrücken zwischen den benachbarten Molekülen geschlossen. Es liegt ein gleichmäßiges kristallines Gitter vor (siehe Abb. C15). Wird das Eis erwärmt, also Energie zugeführt, dann werden die Wasserstoffbrücken nach und nach gelöst (siehe Video C8).
Video C8: Animation von Wassermolekülen.
Dort, wo die kristallinen Strukturen aufgebrochen werden, lösen sich einzelne Moleküle aus dem Kristallgitter. Sie können sich nun freier bewegen und ordnen sich neu an. In diesem Falle liegt Wasser in flüssiger Form vor. Im flüssigen Zustand gehen die Moleküle immer wieder temporär Bindungen über die Wasserstoffbrücken ein, die dann wieder getrennt werden, sich neu formen usw. Die Substanz ist nicht mehr fest, sondern beweglich (flüssig).
Wird das Wasser noch weiter erwärmt, werden auch die restlichen Wasserstoffbrückenbindungen gelöst, die Teilchen bewegen sich nun einzeln, frei und aufgrund der hohen Temperatur auch sehr schnell (siehe Thema Wärme & Energie). Sie beanspruchen viel Raum, und es liegt Wasserdampf im gasförmigen Zustand vor. Was diese drei Aggregatzustände voneinander unterscheidet ist also die Art ihrer Anziehung untereinander. Identisch sind hingegen die Bausteine (Wassermoleküle), aus denen Wasser besteht.
Um Eis zu schmelzen und Wasser zu verdampfen ist allerdings vergleichsweise viel Energie notwendig. Das liegt vor allem an der durch die Wasserstoffbrücken starken Anziehung der Moleküle untereinander. Es muss folglich viel Energie (Wärme) zugeführt werden, um die Moleküle voneinander zu trennen. Die Schmelz- und Siedetemperaturen von Wasser liegen dadurch besonders hoch. Zum Vergleich: CO2 geht bereits bei ca. -79oC in den gasförmigen Zustand über.
Was bedeutet das? Diese hohen Schmelz- und Siedetemperaturen haben zur Folge, dass alle drei Aggregatzuständen von Wasser in der Natur in nennenswerten Mengen vorkommen. Das ist bei sämtlichen anderen Stoffen nicht der Fall, weil ihre Gefrier- oder Schmelzpunkte zum Beispiel so tief liegen, dass die festen und auch flüssigen Zustände in der Natur nicht vorkommen. Andere Stoffe, wie zum Beispiel Metalle und andere feste Stoffe haben so hohe Schmelzpunkte, dass natürlicherweise flüssiges Eisen oder auch Eisendampf eher selten vorkommen. Der durch die beiden Temperaturpunkte von Wasser aufgespannte Bereich zwischen 0oC und 100oC ist hingegen alltagsrelevant. (Auf Basis dieser beiden Temperaturen bei Normaldruck ist die Celsius-Skala auch definiert.)
Tabelle C2: Schmelz und Siedetemperatur von versch. Stoffen bei Normaldruck
Stoff | Schmelztemperatur in °C | Siedetemperatur in °C |
Wasser | 0 | 100 |
Eisen | 1538 | 3000 |
CO2 | / | -79 |
O2 | -218 | -183 |
Trinkalkohol | -114 | 78 |
Quecksilber | -39 | 357 |
Video C9: Latente Wärme und Wärmekapazität.
In Abbildung C16 sind die Aggregatzustände und Wechsel zwischen den Aggregatzuständen grafisch aufgetragen. Auf der y-Achse der Grafik ist die Temperatur angegeben, die das Wasser im festen, flüssigen oder gasförmigen Zustand gerade hat. Auf der x-Achse ist die Energie aufgetragen, die dafür notwendigerweise zugeführt werden muss.
Wenn nun Energie zugeführt wird, werden dadurch zwei unterschiedliche Prozesse angeregt: Entweder (1) die Moleküle nehmen die Energie auf und wandeln sie in Schwingungsenergie um (sie bewegen sich schneller, siehe Kapitel Wärme & Energie) oder (2) es werden Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen gelöst und die Teilchen lösen sich voneinander.
Im ersten Fall bedeutet das, die Temperatur steigt. Dies wird im nächsten Abschnitt näher betrachtet. Im zweiten Fall führt die Energie zu einem Wechsel des Aggregatzustandes. Es wird hier von der Zufuhr latenter Wärme (Energie) gesprochen, da sich ihre Aufnahme durch die Moleküle nicht in einem Temperaturanstieg zeigt, sondern (in Bezug auf die Temperatur latent=verborgen) im Übergang zum benachbarten Aggregatzustand.
Alles verstanden? Auf dieser Website sind ein paar Fragen zu den behandelten Inhalten zu finden. Sie sollen dem Verständnis und einer nachhaltigen Erkenntnisgewinnung dienen.
Konsequenz 5: Hohe spezifische Wärmekapazität
In Abbildung C16 ist dargestellt, wie sich die Temperatur von Wasser bei Zufuhr von Energie verändert. Würden im Vergleich dazu andere Stoffe aufgetragen werden, würde dabei deutlich, dass die Linie von Wasser relativ flach gegenüber den Linien der anderen Stoffe ausfällt. Das bedeutet, dass relativ viel Energie zugeführt werden muss, damit die Temperatur sich um einen bestimmten Wert erhöht. Diese Eigenschaft wird als „spezifische Wärmekapazität“ eines Stoffes bezeichnet. (Im Abschnitt Wärme & Energie wird näher darauf eingegangen.) Die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist besonders hoch. Vergleichswerte zu anderen Stoffen sind in der Abbildung C17 dargestellt. Metalle benötigen demnach nur wenig Energie, um ihre Temperatur um einen bestimmten Betrag zu höhen. Im Umkehrschluss geben sie auch vergleichsweise wenig Wärme ab, wenn sie wieder abkühlen.
Video C10: Zeitrafferaufnahme des Abkühlens von Wasser.
Anwendung im Alltag
Eine hohe Wärmekapazität bedeutet daher auch, dass Wasser ein sehr guter Wärmespeicher ist. Dies wird auch im Alltag verwendet. Wasser wird zum Aufwärmen (Wärmflasche), Transport von Wärme (Wasserkreislauf der Heizung) und auch zur Aufnahme von Wärme und dessen Wegtransportiert (kalte Dusche, Kühlung beim Auto) verwendet.
Bedeutung für das Klima: Klimazonen
Die große spezifische Wärmekapazität hat auch Bedeutung für das Wetter und Klima. In Gegenden mit sehr viel Wasservorkommen wird viel Wärme aufgenommen, gespeichert und kann wieder abgegeben werden. In Wüsten mit sehr wenig Wasservorkommen fehlt ein solcher Wärmespeicher. Wenn die Sonne tagsüber scheint, wird es extrem heiß, nachts kann es im Gegenzug auch sehr stark abkühlen. Wer schon einmal in der Wüste übernachtet hat, kann bestätigen, dass die Nächte empfindlich kalt sein können.
In Gegenden, wo sehr große Wasservorkommen sind, beispielsweise an Küsten, an großen Seen oder Flüssen, ist das Klima sehr viel gemäßigter, denn dort kann tagsüber sehr viel Wärme vom Wasser aufgenommen werden und wenn es sich dann abends abkühlt, kann auch wieder viel Wärme vom Wasser an die Umgebung abgegeben werden. Temperaturschwankungen sowohl im tages- als auch im jahreszeitlichen Bereich werden dadurch abgefedert.
Bedeutung für das Klima – Meeresströmungen
Wie ein riesiges globales Heizungssystem transportieren auch die große Meeresströmungen Wärme über die Ozeane in verschiedene Küstenbereiche der Kontinente. So transportiert beispielsweise der Golf von Mexiko Wärme aus den Tropen nach Europa. Auf diese Weise ist es in den europäischen Breitengraden deutlich wärmer als in vergleichbaren Gegenden Kanadas. Gleiches gilt für weitere Ströme in Australien und Asien, die sehr große Energiemengen mit sich tragen und beispielsweise für die großen Trockenheiten der vergangenen Jahre in Australien gesorgt haben. Wasser ist ein enormer Wärmespeicher, der sowohl Wärme aufnimmt als auch abgibt und dadurch einen bedeutenden Klimaplayer darstellt.
Die Wärmekapazität von Wasser lässt sich auch in einem Experiment anschaulich demonstrieren (siehe Video C11): Ein Luftballon wird mit ein wenig Wasser gefüllt, aufgepustet und direkt über einer Kerzenflamme aufgehängt. Obwohl die Temperatur an der Spitze der Flamme bis zu 1.000oC beträgt, platzt der Luftballon nicht sofort. Die Wärme wird vom Wasser im Luftballon „aufgenommen“, das sich dadurch erwärmt. Erst nach einiger Zeit, wenn das Wasser nicht mehr genügend viel Wärme aufnehmen kann, platzt der Ballon oder wird an einigen Stellen des Gummis porös, so dass das Wasser heraustropft. Ein Luftballon ohne Wasserfüllung platzt im Vergleich über der Kerzenflamme sofort.
Video C11: Welcher Luftballon platzt eher?