C – Wasser und seine besonderen Eigenschaften

Es wurde nun also geklärt, dass und warum das Wassermolekül eine winklige Struktur besitzt, polarisiert ist und stabile Bindungen eingehen kann. Dies hat gravierende Konsequenzen, die beobachtbar und die lebensnotwendig sind.

Konsequenz 1: Kristallstruktur von Eis

Abb. C1: Eis (T < 0°C).

In der Abbildung C1 ist zu erkennen, dass sich durch die tetraederförmige Struktur der Wassermoleküle Bindungsstrukturen herausbilden, in denen sich die Moleküle in Sechsecken anordnen. Die Abbildung C1 zeigt dies in vereinfachter Form.

Diese sechseckige (hexagonale) Form ist auch tatsächlich zu sehen – wenn Wasser als Eis auskristallisiert. Wozu das führt, ist ebenfalls in der Abbildung C1 sichtbar. Eiskristalle oder Schneeflocken haben alle eine (extrem symmetrische) sechseckige Form, die bei schönen großen Exemplaren mit bloßem Auge zu erkennen ist. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es erstmals Wilson Bentley, die variantenreichen Schönheiten zu fotografieren. Ihm gelangen insgesamt über 5000 solcher Aufnahmen. Sie sehen alle unterschiedlich aus, aber alle weisen aufgrund der molekularen Struktur und Anordnung der Wasserteilchen eine hexagonale Struktur auf.

Video C1: Aggregatzustände von Wasser.

Konsequenz 2: Dichte und Dichteanomalie

Wasser besitzt eine weitere sehr besondere Eigenschaft, die „Dichteanomalie“ genannt wird.


Definition Dichte:

Video C2: Erklärvideo zur Dichte.

Die Dichte  eines Stoffes ist definiert als Masse m pro Volumen V.

Styropor beispielsweise besitzt eine sehr geringe Dichte: Betrachtet wird im Folgenden ein Würfel von 1 Liter Volumen (Kantenlänge 10cm x 10cm x 10cm). Ist der Würfel aus Styropor, beträgt seine Masse ca. 20g. Ist der Würfel hingegen aus Eisen, bringt er fast 7,9 kg auf die Waage.

Die Dichte von Styropor beträgt in dem Fall 0,02 g/cm3, die Dichte von Eisen ca. 7,9 g/cm3.


Wird ein Stoff erwärmt, wird ihm also Energie zugeführt (siehe Thementag Wärme), dann bewegen sich die Teilchen schneller. Üblicherweise nimmt dabei die Dichte mit steigender Temperatur ab, da die Teilchen durch ihre stärkere Bewegung mehr Raum beanspruchen. Dies gilt auch über die Wechsel der Aggregatzustände hinweg.


Testen Sie dazu die Phet-App „States of Matter“ https://phet.colorado.edu/sims/html/states-of-matter/latest/states-of-matter_de.html:

Abb. C3: Neon bei -244 °C in der Simulation von PhET.

Stellen Sie nacheinander Neon, Argon, Sauerstoff und Wasser ein. Starten Sie jeweils mit dem festen (solid) Zustand und wählen Sie am besten oC als Einheit. Schieben Sie nun den Regler unten in der Mitte auf „Heat“ und beobachten Sie die Ausdehnung (Dichte) des Stoffes durch die Anordnung der Teilchen. Welche Unterschiede stellen Sie zwischen Wasser und den anderen drei Stoffen fest?


Abb. C4: Eis (T < 0°C).

Beinah alle Stoffe (so auch Neon, Argon und Sauerstoff) verhalten sich so wie oben beschrieben: Bei steigender Temperatur dehnen sie sich aus und dadurch nimmt ihre Dichte ab. Wasser hingegen zeigt wie nur wenige andere Stoffe ein anderes Verhalten: Es dehnt sich beim Übergang zum festen Zustand (Eis) aus. Dies liegt daran, dass das hexagonale Kristallgitter, dass sich bildet, wenn die Wasserstoffbrücken geschlossen werden, sehr viel Raum einnimmt. Die Dichte von Eis ist also deutlich (ca. 10%) geringer als die von flüssigem Wasser.

Wenn nun die permanenten Wasserstoffbrücken des festen Kristalls um ca. 0°C nach und nach aufbrechen, also einzelne Bruchstücke dieser kristallinen Struktur beweglicher werden und näher zusammenrücken, dann nimmt die Dichte zu. Dies ist der Grund, warum flüssiges Wasser weniger Raum einnimmt (also eine größere Dichte besitzt) als Eis.

Bei genauer Betrachtung der App (der Effekt ist nicht so genau dargestellt, aber zu erahnen), ist die Dichte allerdings nicht genau bei 0°C am höchsten, sondern etwas darüber, genauer: bei ca. 4°C. Das liegt daran, dass die Wasserstoffbrücken der kristallinen Struktur nicht alle bei 0°C aufgebrochen werden, sondern erst nach und nach. Komplett aufgebrochen sind die Bindungen erst bei ca. 100 °C, wenn die Bindung der Teilchen untereinander ganz zum Erliegen kommt (Gas / Wasserdampf). Das Aufbrechen der Bindungen sorgt daher dafür, dass die Dichte kontinuierlich bis 100°C zunimmt, die Bewegung der Teilchen hingegen dafür, dass die Dichte mit zunehmender Temperatur kontinuierlich sinkt. Diese beiden einander entgegen gerichteten Effekte führen dazu, dass das Maximum der Dichte bei der etwas höheren Temperatur von 4°C liegt (vgl. Abb. C5).

Diese beiden Aspekte der Dichteanomalie von Wasser haben immense Bedeutung für die Welt:

      • Eis hat eine geringere Dichte als Wasser. Es ist bei gleichem Volumen also leichter als Wasser. Bei gleicher Masse nimmt es mehr Volumen ein.
      • Wasser hat bei 4°C seine höchste Dichte. Bei gleichem Volumen ist es also am schwersten.

In einer Grafik dargestellt, sieht das folgendermaßen aus:

Abb. C5: Dichte von Wasser in Abh. von der Temperatur.

Welche Folgen hat die Dichteanomalie nun?

Folge Nr. 1: Wasser dehnt sich aus, wenn es gefriert.

Dazu sind auch Kindern aus ihrem Alltag viele Phänomene vertraut, bzw. lassen sich gut gemeinsam beobachten und in einem Experiment herbeiführen.

Hierzu gehört beispielsweise das Schwimmen von Eiswürfeln auf der Limonade oder von Eisbergen im Meer.


Betrachten Sie hier einmal die Grafik des Eisberges (Abb. C6 a) & b)). Er verdrängt um zu schwimmen unter Wasser gerade so viel Wasser, wie seiner Masse entspricht. Es kann ebenso formuliert werden: Aus der Menge Wasser, die der Eisberg unter der Wasseroberfläche verdrängt, ist er entstanden. Alles, was er an Volumen zusätzlich zu vorher bei seiner Ausdehnung im Gefrierprozess zugelegt hat, schaut nun oberhalb des Meeresspiegels heraus.

Überlegen Sie mit den Angaben oben: Wie viel schaut von einem Eisberg oben oberhalb der Wasseroberfläche heraus und welcher Anteil seines Volumens versteckt sich unter Wasser – sehr gefährlich für die Schifffahrt, wie die Tragik der Titanic uns gelehrt hat.

Eine Gegenprobe hierzu: Trifft es nicht auch auf weitere Stoffe im Alltag zu, dass sie im festen Zustand auf ihrer Flüssigkeit schwimmen würden? Tatsächlich nicht. Aber es ist nicht so leicht, im Alltag Phänomenen dieser Art aufzuspüren, da bei üblichen Temperaturen eben nicht viele Stoffe sowohl in festem als auch im flüssigen Zustand vorliegen. Betrachten Sie im folgenden Video C3 aber den Vergleich von festem Wachs in flüssigem Wachs im Gegensatz zu Eis in Wasser.

Video C3: Wachs und Wasser – Sinkt ein Festkörper immer in seiner Flüssigkeit?


Wenn sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt, entstehen dabei mitunter auch enorme Kräfte, die sich eindrucksvoll in Szene setzen lassen (siehe Video C4).

Video C4: Anomalie des Wassers.

Weitere Phänomene, die Kinder kennen könnten, sind Frostschäden (Schlaglöcher) im Asphalt (Abb. C7) oder aufgeplatzte Wasserflaschen, die jemand zum „Ich-leg-das-einmal-kurz-hier-rein-zum-Abkühlen“ im Gefrierschrank vergessen hat…

Abb. C7: Frostschäden (Schlaglöcher) im Asphalt.

Betrachten Sie auch die Konsequenzen dieser Eigenschaft von Wasser in Bezug auf die globale Erwärmung des Klimawandels. Wenn die globale Temperatur, bzw. die Temperatur der Ozeane ansteigt, dann zeigt sich schon aktuell in großem Ausmaß, dass auch die großen Eismassen schmelzen. Welche Eisschmelze ist für den Anstieg der Meeresspiegel kritisch? Ist es die der Arktis oder Antarktis? Inwiefern unterscheiden sich diese beiden Eisgebiete voneinander und was bedeutet das in Bezug auf den Anstieg der Meeresspiegel?


Folge Nr. 2: Das Überleben im Gewässer

Eine Folge der größten Dichte von Wasser bei 4°C ist beispielsweise, dass tiefere Seen im Winter nicht zufrieren. Am Boden eines genügend tiefen Sees sammelt sich Wasser, welches eine Temperatur von 4°C hat. Im Winter liegt das kältere Wasser darüber, im Sommer das wärmere Wasser. Das bedeutet, im Sommer finden sich hier immer noch ein kaltes Reservoir, im Winter gibt es hier noch genügend warmes Wasser (siehe Abb. C9).

Tabelle C1: Dichte in Abhängigkeit der Temperatur

Temperatur Dichte
0 °C (Eis) 0,9168 g/ml
0 °C (Wasser) 0,999818 g/ml
4 °C (Wasser) 1,000000 g/ml
10 °C (Wasser) 0,999727 g/ml
20 °C (Wasser) 0,998231 g/ml

Betrachten wir noch einmal Abbildung C5 und vergrößern den Ausschnitt rund um 4°C (siehe Abb. C8). Dabei ist hier deutlich das Maximum der Dichte bei 4°C zu erkennen. Es sieht zwar auf den gesamten Verlauf betrachtet unscheinbar aus, aber es ist genug, um dieses Phänomen der Temperaturschichtung in Seen hervorzurufen, das vielen Lebewesen im See das Überleben im Winter sichert.

Abb. C10: Weltkarte mit zwei schematischen Warmströmungen.

Ein weiteres Phänomen, das mit Dichte und auch ein wenig mit Dichteanomalie zusammenhängt, sind die Meeresströmungen (vgl. Abb. C10 & C11). Die Meeresströmungen werden dadurch in Gang gebracht, dass das Wasser in den Weltmeeren eine unterschiedliche Dichte aufweist, das teilweise nach unten wegsackt oder nach oben gespült wird. Diese Dichteunterschiede können maßgeblich durch zwei verschiedene Phänomene hervorgerufen werden:

      • durch Temperaturunterschiede des Wassers
      • durch unterschiedlichen Salzgehalt des Wassers

Diese Meeresströmungen sind unglaublich wichtig für das Klima, weil Wasser eine weitere Eigenschaft in Bezug auf Wärme hat, auf die gleich noch eingegangen wird.

Wichtige Meeresströmungen sind zum Beispiel hier der sogenannten Humboldtstrom, ein Kaltwasserstrom an der Spitze von Südamerika, der kaltes nährstoffreiches Wasser aus der Antarktis bringt. Genauso gibt es auch einen Strom, der den meisten sehr wohl bekannt ist. Sein Wasser erwärmt sich vor allem im Golf von Mexiko (von dem er auch seinen Namen erhält) und fließt von da Richtung Norden und bringt warmes Wasser nach Europa. Momentan versuchen Physiker und Physikerinnen, Meteorologen und Meteorologinnen verschiedene Szenarien zu simulieren, welche Konsequenzen Änderungen der Wassertemperatur und des Salzgehaltes (beispielsweise aufgrund des Schmelzwassers der schrumpfenden Eismassen) in Folge der globalen Erwärmung mit sich bringen. Da diese Phänomene hoch komplex vernetzt sind, sind Voraussagen hier nicht eindeutig, aber zeigen gewisse Tendenzen.

Abb. C11: Kalte und warme Meeresströmungen.

Konsequenz 3: Oberflächenspannung von Wasser

Die besondere Anziehungskraft der Wassermoleküle untereinander sorgt auch für ein Phänomen, das zu beobachten ist, wenn sich Wasser zu mehr oder weniger runden Kügelchen zusammenzieht. Dies ist an Glasoberflächen, am tropfenden Wasserhahn und – oft besonders elegant rund: auf Gräsern und Blättern zu sehen (vgl. Abb. C12).

Abb. C12: Wassertropfen auf verschiedenen Oberflächen.

(Auf Oberflächen von Pflanzen wie Frauenmantel, Kapuzinerkresse und Kohlarten bilden sich zarte fast vollständige Kugeln. Dies ist auf den sogenannten Lotuseffekt zurückzuführen. Die Oberflächenstruktur bewirkt, dass das Wasser nicht das Blatt benetzt, sondern nur sehr wenig Kontaktfläche eingeht – meist ist die Oberfläche mit winzigen feinen Härchen besetzt – und sich zur Kugel zusammenzieht.)

Hier handelt es sich um Phänomenen der Oberflächenspannung von Wasser.

Die Oberflächenspannung von Wasser sorgt für Tropfenbildung in ganz unterschiedlicher Form, wie in den Abbildungen C12 und C13 zu sehen ist.

Abb. C13: Wassertropfen mit unterschiedlichen Benetzungswinkeln.

Wasser benetzt sehr stark glatte Oberflächen, wie Metall oder Glas, so dass sich hier breite, flache Tropfen bilden.  Je rauer die Oberfläche ist, desto kugeliger zieht sich der Tropfen zusammen (falls das Wasser nicht in das Material eindringen kann). Der Benetzungswinkel ist in Abbildung C13 oben ebenfalls dargestellt.


Wie kommt diese Tropfenbildung zustande? Was liegt der hohen Oberflächenspannung von Wasser zugrunde?


Zwischen den Wasserteilchen wirken Anziehungskräfte, die die Wasserteilchen mit hoher Kraft aneinanderhalten, solange ein anderes Wasserteilchen in ihrer Nähe ist. Ein Wasserteilchen, das nicht am Rand liegt, wird also gleichermaßen in alle Richtung von anderen Teilchen angezogen.

Abb. C14: Kohäsionskräfte in Wasser auf unterschiedliche Wassermoleküle.

An der Grenzfläche zu einem anderen Medium (hier Luft) sieht das allerdings anders aus. Hier wirken nur noch Kohäsionskräfte, also anziehende Kräfte zu den Wassermolekülen hin, die im Wasser sind. In Richtung des angrenzenden Mediums wirken allerdings allenfalls schwache Kräfte, da sich dort keine weiteren Wassermoleküle befinden. Die Wassermoleküle an der Grenzfläche werden also sehr viel mehr in Richtung der anderen Wasserteilchen angezogen als sie nach oben von den Luftteilchen angezogen werden. Diese nach innen gerichtete Kohäsionskraft führt zur Kugelbildung des Wassertropfens (siehe Abb. C14).

Weitere Phänomene, die Kindern im Kontext der Oberflächenspannung ebenfalls bekannt sind, sind beispielsweise: Wasserläufer, Blätter oder auch Büroklammer, die auf der Wasseroberfläche schwimmen können. Wassergläser oder Wasseransammlungen auf beispielsweise Münzen können sich weit herauswölben ohne dass das Wasser überfließt. (Siehe Video C5 – C7)

Video C5: Kohäsion auf einer Pflanze.

Video C6: Kohäsion eines Wassertropfens auf verschiedenen Oberflächen.

In Erklärbüchern für Kinder wird in diesem Zusammenhang auch oft den Begriff einer „Wasserhaut“ eingeführt. Dies ist allerdings für Kinder eher irreführend, weil sie sich unter diesem Begriff tatsächlich eine Art Häutchen vorstellen, die die Wasseroberfläche umgibt.

Die typischen Versuche, in denen dann etwas Spülmittel auf die Oberfläche getropft wird und die Büroklammer doch im Wasser versinkt, werden dann so interpretiert, dass dieses Häutchen zerstört wird. Dies ist aber physikalisch nicht zutreffend. Es ist lediglich ein Phänomen aufgrund der höheren Kräfte der Wasserteilchen untereinander im Gegensatz zu den Teilchen des angrenzenden Mediums. Aber es gibt keine andere Erscheinungsform in Form einer „Wasserhaut“ am Rande dieses Mediums.

Video C7: Oberflächenspannung verschiedener Flüssigkeiten.

Konsequenz 4: Hohe Schmelz- und Siedetemperatur

Im gefrorenen Zustand (Eis) sind die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den benachbarten Molekülen geschlossen. Es liegt ein gleichmäßiges kristallines Gitter vor (siehe Abb. C15). Wird das Eis erwärmt, also Energie zugeführt, dann werden die Brückenbindungen nach und nach getrennt (vgl. Video C8).

Video C8: Animation von Wassermolekülen.

Dort, wo die kristallinen Strukturen aufgebrochen werden, lösen sich einzelne Moleküle aus dem Kristallgitter. Sie können sich nun freier bewegen und ordnen sich neu an. In diesem Falle liegt flüssiges Wasser vor. Im flüssigen Zustand gehen die Moleküle immer wieder temporär Bindungen über die Wasserstoffbrücken ein, die dann wieder getrennt werden, sich neu formen usw. Die Substanz ist nicht mehr fest, sondern beweglich (flüssig).

Wird das Wasser noch weiter erwärmt, werden auch die restlichen Wasserstoffbrückenbindungen aufgespalten, die Teilchen bewegen sich nun einzeln, sehr frei und aufgrund der hohen Temperatur auch sehr schnell (siehe Thema Wärme & Energie). Sie beanspruchen viel Raum, und es liegt Wasserdampf im gasförmigen Zustand vor. Was diese drei Aggregatzustände voneinander unterscheidet ist also die Art ihrer Bindung untereinander. Identisch sind hingegen die Bausteine (Wassermoleküle), aus denen Wasser besteht.

Abb. C15: Wasser bei 1 K in der Simulation von PhET.

Um Eis zu schmelzen und Wasser zu verdampfen ist allerdings vergleichsweise viel Energie notwendig. Das liegt vor allem an der starken Bindung der Moleküle untereinander durch die Wasserstoffbrücken. Es muss folglich viel Energie (Wärme) zugeführt werden, um die Moleküle voneinander zu trennen. Die Schmelz- und Siedetemperaturen von Wasser liegen dadurch besonders hoch. Zum Vergleich: CO2 geht bereits bei ca. -79oC in den gasförmigen Zustand über.

Was bedeutet das? Diese hohen Schmelz- und Siedetemperaturen haben zur Folge, dass alle drei Aggregatzuständen von Wasser in der Natur in nennenswerten Mengen vorkommen. Das ist bei sämtlichen anderen Stoffen nicht der Fall, weil ihre Gefrier- oder Schmelzpunkte zum Beispiel so tief liegen, dass die festen und auch flüssigen Zustände in der Natur nicht vorkommen. Andere Stoffe, wie zum Beispiel Metalle und andere feste Stoffe haben so hohe Schmelzpunkte, dass natürlicherseits flüssiges Eisen oder auch Eisendampf eher selten zu Gesicht zu bekommen ist. Der durch die beiden Temperaturpunkte von Wasser aufgespannte Bereich zwischen 0oC und 100oC ist hingegen alltagsrelevant. (Auf Basis dieser beiden Temperaturen bei Normaldruck ist die Celsius-Skala auch definiert.)

Tabelle C2: Schmelz und Siedetemperatur von versch. Stoffen bei Normaldruck

Stoff Schmelztemperatur in °C Siedetemperatur in °C
Wasser 0 100
Eisen 1538 3000
CO2 / -79
O2 -218 -183
Trinkalkohol -114 78
Quecksilber -39 357

Video C9: Latente Wärme und Wärmekapazität.

Abb. C16: Temperatur und Aggregatszustand von Wasser in Abh. der zugeführten Wärme bzw. Energie.

In der Abbildung C16 sind die Aggregatzustände und Wechsel zwischen den Aggregatzuständen grafisch aufgetragen. Auf der y-Achse der Grafik ist die Temperatur angegeben, die das Wasser im festen, flüssigen oder gasförmigen Zustand gerade hat. Auf der x-Achse ist die Energie aufgetragen, die dafür notwendigerweise zugeführt werden muss.

Wenn nun Energie zugeführt wird, werden dadurch zwei unterschiedliche Prozesse angeregt: Entweder (1) die Moleküle nehmen die Energie auf und wandeln sie in Schwingungsenergie um (sie bewegen sich schneller, siehe Kapitel Wärme & Energie) oder (2) es werden Wasserstoffbrücken zwischen den Molekülen getrennt und die Teilchen lösen sich voneinander.

Im ersten Fall bedeutet das, die Temperatur steigt. Dies wird im nächsten Abschnitt näher betrachtet. Im zweiten Fall führt die Energie zu einem Wechsel des Aggregatzustandes. Es wird hier von der Zufuhr latenter Wärme (Energie) gesprochen, da sich ihre Aufnahme durch die Moleküle nicht in einem Temperaturanstieg zeigt, sondern (in Bezug auf die Temperatur latent=verborgen) im Übergang zum benachbarten Aggregatzustand.

Konsequenz 5: Hohe spezifische Wärmekapazität

In der Abbildung C16 ist dargestellt, wie sich die Temperatur bei Zufuhr von Energie von Wasser verändert. Würden im Vergleich dazu andere Stoffe aufgetragen werden, würde dabei deutlich, dass die Linie von Wasser relativ flach gegenüber den Linien der anderen Stoffe ausfällt. Das bedeutet, dass relativ viel Energie zugeführt werden muss, damit die Temperatur sich um einen bestimmten Wert erhöht. Diese Eigenschaft wird als „spezifische Wärmekapazität“ eines Stoffes bezeichnet. (Im Abschnitt Wärme & Energie wird näher darauf eingegangen.) Die spezifische Wärmekapazität von Wasser ist besonders hoch. Vergleichswerte zu anderen Stoffen sind in der Abbildung C17 dargestellt. Metalle benötigen demnach nur wenig Energie, um ihre Temperatur um einen bestimmten Betrag zu höhen. Im Umkehrschluss geben sie auch vergleichsweise wenig Wärme ab, wenn sie wieder abkühlen.

Abb. C17: Spezifische Wärmekapazität verschiedener Stoffe im Vergleich.

Anwendung im Alltag

Eine hohe Wärmekapazität bedeutet daher auch, dass Wasser ein sehr guter Wärmespeicher ist. Dies wird auch im Alltag verwendet. Wasser wird zum Aufwärmen (Wärmflasche), Transport von Wärme (Wasserkreislauf der Heizung) und auch Aufnahme von Wärme und dessen Wegtransportiert (kalte Dusche, Kühlung beim Auto) verwendet.

Abb. C18: Wasser und dessen Wärmekapazität im Alltag.

Bedeutung für das Klima: Klimazonen

Die große spezifische Wärmekapazität hat auch Bedeutung für das Wetter und Klima. In Gegenden mit sehr viel Wasservorkommen wird viel Wärme aufgenommen, gespeichert und kann wieder abgegeben werden. In Wüsten mit sehr wenig Wasservorkommen fehlt ein solcher Wärmespeicher. Wenn die Sonne tagsüber scheint, wird es extrem heiß, nachts kann es im Gegenzug auch sehr stark abkühlen. Wer schon einmal in der Wüste übernachtet hat, kann bestätigen, dass die Nächte empfindlich kalt sein können.

In Gegenden, wo sehr große Wasservorkommen sind, beispielsweise an Küsten, an großen Seen oder Flüssen, ist das Klima sehr viel gemäßigter, denn dort kann tagsüber sehr viel Wärme vom Wasser aufgenommen werden und wenn es sich dann abends abkühlt, kann auch wieder viel Wärme vom Wasser an die Umgebung abgegeben werden. Temperaturschwankungen sowohl im tages- als auch im jahreszeitlichen Bereich werden dadurch stärker abgefedert. Auch die Geröll- und Sandbildung sind Folgen dieser starken Temperaturschwankungen, da aufgrund der starken Temperaturschwankungen die Steine zu Geröll und schließlich zu Sand zerbersten.

Bedeutung für das Klima – Meeresströmungen

Wie ein riesiges globales Heizungssystem transportieren auch die große Meeresströmungen Wärme über die Ozeane in verschiedene Küstenbereiche der Kontinente. So transportiert beispielsweise der Golf von Mexiko Wärme aus den Tropen nach Europa. Auf diese Weise ist es in den europäischen Breitengraden deutlich wärmer als in vergleichbaren Gegenden Kanadas. Gleiches gilt auch hier für weitere Ströme in Australien und Asien, die sehr große Energiemengen mit sich tragen und beispielsweise für die großen Trockenheiten der vergangenen Jahre in Australien gesorgt haben. Wasser ist ein enormer Wärmespeicher, der sowohl Wärme aufnimmt als auch abgibt und dadurch einen bedeutenden Klimaplayer darstellt.

Abb. C19: Kalte und warme Meeresströmungen.
Abb. C20: Ballon mit Wasser über einer Kerze.

Die Wärmekapazität von Wasser lässt sich auch in einem Experiment anschaulich demonstrieren (siehe Abb. C20): Ein Luftballon wird mit ein wenig Wasser gefüllt, aufgepustet und direkt über einer Kerzenflamme aufgehängt. Obwohl die Temperatur an der Spitze der Flamme bis zu 1.000oC beträgt, platzt der Luftballon nicht sofort. Die Wärme wird vom Wasser im Luftballon aufgenommen, dass sich dadurch erwärmt. Erst nach einiger Zeit, wenn das Wasser nicht mehr genügend viel Wärme aufnehmen kann, platzt der Ballon oder wird an einigen Stellen porös, so dass das Wasser heraustropft. Ein Luftballon ohne Wasserfüllung platzt im Vergleich über der Kerzenflamme sofort.